Michael Weihe, deutscher Bildhauer, Gustav-Weidanz-Preis, Brehna, Steinmetzwerkstatt, Prof. Bernd Göbel, Bildhauerkunst, Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle, Burg Giebichenstein, Plastiken, Denkmäler, Brunnen, Puppentheater, freischaffender Künstler

Für Michael Weihe

Vater und Großvater hatten Michael durch tägliche Anschauung von früh an dem Umgang mit Steinen ver­pflichtet – die kindlichen Erlebnisse saßen tief, das Leben schien hart und reich an Entbehrungen, aber dies war eben so.

Als er sich an der Burg zum Studium bewarb, hatte er die Schule abgeschlossen und musste zur Fahne, notgedrungen. Noch Jahre danach rezitierte er sarkastisch die erniedrigenden Befehle seiner Vorgesetzten.

Ich erinnere mich wilder Puppenspiele, eines spielte er speziell eines Sommers in meiner Werkstatt. Natürlich gab es Offiziere der übelsten Sorte auf der Bühne, selbst Kasper hatte es schwer, sie zu bändigen – angekündigt war ein Stück zu Doktor Faust, es endete in einer Art Er­­schöpfungszustand des Spielers und einem weiteren Niedergang der moralischen Werte unserer Welt. Nur selten beruhigte sich die Szene. Wenn Gretchen als allerdings aussichtslose Vertreterin einer heilen Welt die Bühne betrat, schlug die Stimmung in ein stilles Grauen um.

Die Puppen, wie sollte es anders sein, charakteristische Bildhauerschöpfungen mit allerlei Zutaten der verschiedensten Haushaltsabfälle – Reißverschlussreste bildeten die Zähne der Räuberoffiziere, alte Pinsel mutierten zu Schnauzbärten etc. – bunt, wild, aber direkt aus seinem Herzen geformt und gespielt.

Die Armeezeit war für ihn gar nicht gut, tief in die verletz­liche Seele des jungen Künstlers war eine zerstörerische Macht eingedrungen, der Glaube an die Menschen erfuhr eine dramatische Erschütterung. 

So wuchsen Wehmut als auch Zerbrechlichkeit und fanden in seinen Arbeiten einen Niederschlag.

Zum Diplom arbeitet er vier große Würfel, die auf Pfeilern und Kapitellen gleich eine Fassade tragen sollten – ein neu konzipiertes Haus der Begegnungen in Jena, eine Erinnerung an jenen Ort, wo Goethe und Schiller einander trafen. Themen wählte er sich, wie sollte es anders kommen, aus dem Faust – Verführung, Tod, ein romantisches erstes Gegenüber endet im Chaos. Herrliche kraftvolle Hochreliefs haute er in den harten Stein, wunderbare überzeugende Erfindungen brachte er zutage. Da das Haus nie gebaut wurde, verließ diese Arbeit, die so viel Einsatz und Inspiration von ihm genommen hatte, nie die Werkstatt.

Immer wieder retten ihn die Engel. Er füllt über Jahre die Gartenfläche mit ihnen. Häufig sind es liegengebliebene Krustenstücke, die Vater oder gar Großvater hinterlassen hatten, alte Grabsteine. In allen Formaten konnte er sich seine Seelenretter vorstellen – gelegentlich tragen sie gar Flügel oder Fragmente solcher.

Nach der Zeit, in der die Welt eine bessere werden sollte, übernahm er leichtgläubig einen großen Auftrag für zwei weit überlebensgroße Figuren für einen großen Friedhof. Er kaufte gigantisch schwere und große Steine, transportierte sie, schlug eine Figur aus dem 350 cm hohen Stein – was ihm der Großvater schon mitgegeben hatte, den Steinstaub von der Form nicht weg zu blasen sondern abzukehren, hatte er nicht vergessen, aber er arbei­tete im Zeitalter schnell rotierender Diamantscheiben – der feine Staub findet allmählich den Weg in sein Inneres. Sein Auftraggeber zog sich aus der Absprache zurück – ich glaube, man formuliert dies heute so.

Wieder entstehen die traurig schönen Frauenstücke mit geneigten Köpfen, streng in der Form, auch sinnlich, voller Liebe und Zuneigung auf die Welt gebracht. Eine sichere plastische Begabung gibt ihm alle Möglichkeiten des Umganges mit der menschlichen Figur.

Zur Einweihung des Oberlandesgerichtes in Naumburg standen wir beieinander. Es hatte sich ergeben, dass er für eine Kalotte im 2. Obergeschoß eine Figur machen konnte – ein gebeugter schlanker Atlas mit einem Riesenklotz auf dem gebeugten Oberkörper. Bei Einzug der neu bestallten 52 Richter zeigt er mir jenen, der ihn, wie er sagte, verknackt hat – seine Klage um die Friedhofsfi­guren war, wie sollte es anders kommen, zugunsten des Kenntnisreichen entschieden worden.

Immer wieder müht er sich, oben zu bleiben. Wir machen einige Ausstellungen gemeinsam mit neuen beseelten Steinen. Dies sind letzte, in Abschnitten sparsam-heiter zu nennende Begegnungen.

Michael Weihe war ein besonderer Mensch und Kün­stler – die Welt, in der er sein Glück hätte finden können, wird hoffentlich doch einst kommen, vielleicht darf er nochmals beginnen, ich glaube, er könnte in besonderen Stunden so etwas für möglich gehalten haben.

Bernd Göbel

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